Entstanden in den USA

Dialog-Journale wurden unter dem Namen Dialogue Journals zum ersten Mal Ende der 60er Jahre bekannt. Damals schrieb sich die Lehrerin Leslee Reed mit ihren Schüler/inne/n – zum großen Teil mit spanischem Migrationshintergrund und schwach im geschriebenen Englisch – in Heften Briefe, d.h., sie führte mit allen Schüler/inne/n einen individuellen Dialog neben dem normalen Schulunterricht. Die Schüler/innen berichteten ihrer Lehrerin z.B. über private Erlebnisse, beschwerten sich über das Verhalten ihrer Mitschüler/innen und mitunter auch über das Verhalten ihrer Lehrerin oder fragten nach, wenn sie im Unterricht etwas nicht verstanden hatten. Leslee Reed reagierte auf die Einträge der Schüler/innen – beantwortete Fragen, erzählte von sich selbst und diskutierte mit den Schüler/inne/n all das, was ihnen wichtig war (REED, 1988). Anders als im Unterricht konnte sie ihren Schüler/inne/n in den Dialogue Journals als gleichberechtigte Partnerin begegnen und sie ganz individuell wahr und ernst nehmen.

Die Wissenschaft wurde auf die Dialog-Journale aufmerksam als sich zeigte, dass sich nach und nach das schriftliche Englisch der schreibenden Schüler/innen verbesserte, obwohl in den Dialog-Journalen weder Schreiben geübt noch Fehler angestrichen wurden. Schon das Schreiben der Dialog-Journale an sich schien die Schreibfähigkeiten der Schülerinnen und Schüler zu befördern. Man begann, Dialog-Journale in verschiedenen Lernsituationen als ein den Unterricht ergänzendes Instrument zur Förderung sprachlicher Fähigkeiten zu erproben.

In den 1970er und -80er Jahren traten die Dialogue Journals einen Siegeszug im Bereich Englisch als Zweitsprache an, wo sie noch heute etablierte Methode der Sprachförderung sind (Peyton, 2000 [Überblick]; Iles, 2001; Wang, 1996; Bussba Tonthong, 2004).

Dialog-Journale auch in Deutschland

In den 80er Jahren wurde die amerikanische Hörgeschädigten-Pädagogik auf das dialogische Schreiben in Dialog-Journalen aufmerksam und entwickelte die Methode so weiter, dass sie den Schriftspracherwerb schwerhöriger und gehörloser Schülerinnen und Schüler unterstützte. Diese Weiterentwicklung ist in „It’s Your Turn Now!“ (Bailes et al. 1986, S.4) anschaulich dokumentiert.

So kamen die Dialog-Journale auch nach Deutschland. Initiiert durch Prof. Dr. John Albertini, Prof. em. Klaus Schulte und Prof. Dr. Christa Schlenker-Schulte wurden sie erstmals an der PH Heidelberg zur Sprachförderung für Kinder und Jugendliche mit Hörbehinderung eingesetzt (Witte & Albertini, 1989).

Seit Ende der 90er Jahre setzen Studierende und Lehrer/innen, die an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg an der von Prof. Dr. Christa Schlenker-Schulte geleiteten Fachrichtung Sprachbehindertenpädagogik studier(t)en, die Dialog-Journale auch zur (Schrift-)Sprachförderung an Sprachheilschulen, für Kinder und Jugendliche mit Lernbehinderung und so genannter geistiger Behinderung erfolgreich ein. Auch im Bereich Alphabetisierung von Erwachsenen gibt es inzwischen gute Erfahrungen.

Literatur

Schlenker-Schulte, Christa (2005): Faszination Dialog – interaktional-kommunikatives (Sprach-)Lernen mit Dialog-Journalen. In: Kaul, Thomas/Jann, Peter (Hrsg.): Kommunikation und Behinderung. Festschrift für Heribert Jussen. Villingen-Schwenningen: Neckar-Verlag. S. 229-246.

Albertini, John (2000). Schreiben als Dialogischer Prozess, eigenes Produkt und individueller Ausdruck – Ergebnisse angewandter pädagogischer Forschung. In: Albertini, J., Erhardt, E. & Strauss, H-Chr. (2000): Kommunikation und Kreativität, Villingen-Schwenningen, S. 113–119.

Reed, Leslee (1988): Dialogue Journals Make My Whole Year Flow: The Teacher’s Perspective. In: Staton, J.; Shuy, R.W.; Peyton, J.K. & Reed, L.: Dialogue Journal Communication: Classroom, Linguistic, Social, and Cognitive Views. Norwood: Alex Publishing Corporation, S. 56–72.

Schlenker-Schulte, Christa (2000): DIALOG als Prinzip in der Rehabilitation von Menschen mit kommunikativer Behinderung. In: Albertini, John; Ehrhardt, Elsbeth; Strauß, Hans-Christoph (2000): Kommunikation und Kreativität. Festschrift für Klaus Schulte zum 70. Geburtstag. Villingen-
Schwenningen: Neckar-Verlag, S. 3-22.