Die Muster hinter korrekter Schreibung

Wer korrekt schreibt, muss viele Zusammenhänge verstanden haben:

  • dass Buchstaben für Laute stehen,
  • dass manchmal mehr als ein Buchstabe für einen Laut in Frage kommt
  • wann man groß und wann man klein schreibt usw.

Man geht davon aus, dass die Regeln, die hinter diesen Schreibprinzipien stecken, nach und nach erlernt werden. Wenn die Kinder in die Schule kommen, haben sie schon die unterschiedlichsten Erfahrungen im Umgang mit Schrift gemacht. Es gibt in der Fachliteratur verschiedene Entwicklungsmodelle, die den Lese- und Schreiblernprozess erklären. Das erste kam im Jahre 1985 von Uta Frith (Frith, 1985). Wir orientieren uns an Renate Valtin (Valtin, 1997):

  1. Kritzeln: schon Kleinkinder spielen "lesen und schreiben", kennen aber keine Buchstaben und haben auch keine Vorstellung davon, wie sprechen und schreiben zusammenhängen.

  2. Malen von Symbolen oder des eigenen Namens: Die Kinder wissen, dass Zeichen für „etwas“ stehen können. Ob dies ein Logo ist oder eine Zeichenkette, macht für sie noch keinen Unterschied. Auch der mühsam geschriebene eigene Name ist "nur" ein komplexes Bild/Symbol.

  3. Schreiben von wichtigen Laut-Elementen: Die Kinder entdecken, dass Laute zu Buchstaben zugeordnet werden können. Am Anfang sind dies nur charakteristische Laute eines Wortes sein (z.B. „P“ für Puppe). Später werden es mehr Buchstaben, die Lücken sind aber immer noch deutlich = "Skelettschreibung".

  4. Schreib, wie du sprichst: Die Kinder kennen alle Buchstaben und wissen, zu welchen Lauten sie gehören. Wer vollständig alphabetisch schreibt, schreibt genau das, was er/sie spricht („Fata“ [Vater], „gestan“ [gestern], "schpiln" [spielen]).

  5. Orthografische Phase: Orthografische Regeln erweitern die Laut-Buchstaben-Zuordnungen. Einige muss man sich schlicht merken; wann ein Längezeichen kommt und welches ist leider oft nicht logisch herleitbar (z.B. [i:] in Biene, sieht oder Tiger). Andere Regeln kann man lernen, die der Auslautverhärtung beispielsweise - dass „Hand“ im Auslaut mit „d“ geschrieben wird, weil man in "Hände" auch ein [d] hat.

  6. Automatisierung: Die orthografischen Regeln haben sich im Gehirn etabliert, das heisst, es gibt ein visuelles - orthografisch korrektes - Abbild der Wörter im mentalen Lexikon. Bei Unsicherheiten "sehen" die Kinder (und Erwachsenen) dem geschrieben Wort an, welche Schreibung richtig ist und welche nicht.

Die Analyse der Wörter, die jemand in freien Texten schreibt, verrät, auf welcher Stufe des Schriftsprach-Erwerbs sich die Person befindet und inwiefern sie oder er schon orthografische Regeln beherrscht - und welche. Da Dialog-Journale fortlaufende Texte enthalten, bieten sie auch für die Analyse wortübergreifender Regelkenntnisse Gelegenheit.

Literatur

Valtin, Renate (1997): Stufen des Lesen- und Schreibenlernens. Schriftspracherwerb als Entwicklungsprozeß. In: Haarmann, D. (Hg.) Handbuch Grundschule. Weinheim u. Basel: Beltz, 76-88.

Brügelmann, Hans und Brinkmann, Erika (1994): Stufen des Schriftspracherwerbs und Ansätze zu seiner Förderung. In: Brügelmann, H. & Richter, S. (Hrsg.): Wie wir recht schreiben lernen. Lengwil: Libelle, 44-52.

Frith, Uta (1985): Beneath the surface of developmental dyslexia. In: Patterson, K. E. et al. (Hrsg.): Surface dyslexia. Hilsdale, 1985, S.301-330. Scan des Beitrags bei google books